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Haftbedingungen und Haftalltag im zweiten Stock

Der in dieser Ausstellung begehbare Gefängnistrakt befindet sich weitestgehend in dem Zustand, wie er 2002 von der Polizei verlassen und von der Initiative »Faites votre jeu!« im April 2009 vorgefunden wurde. Die Zellen vermitteln dadurch einen Eindruck, wie hier bis zuletzt Abschiebehaft und Ingewahrsamnahme vollzogen wurden.

Dieser Gebäudeteil wurde in der baulichen Struktur als »Männertrakt« geplant. Wie aus Zeitzeug*innengesprächen und Inschriften hervorgeht, waren hier auch tatsächlich vorwiegend Männer untergebracht. Obwohl im Klapperfeld auch Personen inhaftiert wurden, die sich mit dem weiblichen Geschlecht identifizierten, berichten Zeitzeug*innen, dass im Klapperfeld zumeist nur männliches Personal arbeitete.

Der für diese Ausstellung geöffnete Trakt umfasst 16 Einzel­zellen und zwei Sammelzellen sowie drei weitere Räume, in denen sich vermutlich Wärter*innen aufhielten. Die Einzelzellen sind 1,5×3,5m groß und mit einer gusseisernen Pritsche, einem in die Wand eingelassenen Klapptisch und -sitz, Waschbecken und Toilette sowie einem Spiegel aus Metall ausgestattet. Die Sammelzellen dienten tagsüber von 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr als Aufenthaltsräume für die Inhaftierten des Stockwerks. Manchmal wurden sie auch genutzt, um größere Gruppen in Gewahrsam nehmen zu können, zum Beispiel nach ­Demonstrationen. Bei Überbelegung wurden sie gelegentlich zum Schlafsaal umfunktioniert.

Sammelzelle im 2. Stock des Klapperfelds im Jahr 2001. An der Wand stehen fünf Betten mit verschmutzten Schaumstoffmatratzen.
Sammelzelle im 2. Stock des Klapperfelds, 2001 (Quelle: Michael Steiniger, Frankfurt [Aus: Gewahrsam. Räume der Überwachung; Hrsg. Arne Winkelmann und Yorck Förster; Kehrer Verlag Heidelberg und Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt a. M., 2007.])

Die Duschen befanden sich im Keller des Gebäudes und konnten laut einer Inschrift ausschließlich an drei Wochentagen genutzt werden. Nach 17.30 Uhr wurden die Häftlinge in die Zellen eingeschlossen. In den Zellen gab es keinerlei Klingelsystem, sodass die Gefangenen im Notfall nur durch Klopfen oder Schreien auf sich aufmerksam machen konnten.

Die Zustände im Klapperfeld standen schon lange vor der Schließung im Jahr 2002 in der Kritik. Bereits 1984 berichtete die Abendpost/Nachtausgabe von dem Besuch einer Delegation hessischer Landtagsabgeordneter der Grünen: »Am Ende ihres Rundgangs zogen die Grünen Bilanz: ›Wir sind erschüttert.‹ Enge, überalterte Einzelzellen, kaum breit genug um sich zu bewegen. Überall kleine Fenster, die kaum Licht einlassen. […] Es gibt nichts zu lesen. Seit vier Wochen auch keinen Ausgang im Hof, weil dort Türschlösser ausgewechselt werden. In der [Sammel-]Zelle keine Sitzgelegenheit. Eine Mülltonne steht noch da, in der Ecke ein Klo, sonst nichts.«

Diese Umstände trafen die Abschiebegefangenen besonders hart, da die Abschiebehaft nicht – wie die Ingewahrsamnahme – in der Regel auf 24 Stunden begrenzt ist. Die Aufenthaltsdauer im Klapperfeld betrug in den meisten Fällen wohl maximal zwei Wochen, es sind durch die Inschriften aber auch Fälle dokumentiert, in denen Menschen vor einer Abschiebung mehrere Monate inhaftiert waren. Für diese Häftlinge gab es, trotz der langen Verweildauer im Klapperfeld, keine soziale Betreuung und keine Dolmetscher*innen sowie kaum Zugang zu Büchern, Zeitschriften oder anderen Beschäftigungsmöglich­keiten. Zwischen 1984 und 1991 wurde daraufhin durch den »Initiativausschuss für ausländische Mitbürger in Hessen« ein ehrenamtlicher Besuchsdienst organisiert. Die Freiwilligen dieses Besuchsdienstes versuchten den Inhaftierten ­Schreibzeug, Papier und Bücher in verschiedenen Sprachen zukommen zu lassen und sie bei der Kommunikation mit ihren Bekannten und Verwandten zu unterstützen oder Informationen über die bevorstehende Abschiebung herauszufinden.

1995 wurden im Klapperfeld laut eines Artikels der FAZ kleinere Renovierungsarbeiten durchgeführt. Sie erreichten die Zellen und das Mobiliar in diesem Stockwerk offensichtlich kaum, da die vorgefundenen Inschriften einen Zeitraum von 1955 bis 2002 umfassen. Auch an den bereits 1984 von den Grünen kritisierten Zuständen im Klapperfeld änderte sich bis zur Schließung wenig: So stellte das »Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe« im Dezember 2000 bei einem Besuch des Gebäudes fest, dass die Zellen schmutzig, schlecht beleuchtet und ungenügend belüftet sowie mangelhaft beheizt seien. Außerdem wurden den Häftlingen auch zu diesem Zeitpunkt noch zu selten Hofgänge und Zugang zu medizinischem Personal ermöglicht.

2002 wurde das Polizeigefängnis Klapperfeld geschlossen und das Polizeigewahrsam in die neuen Räumlichkeiten in der Adickesallee verlegt. Abschiebehaft fand danach im Abschiebegefängnis in Offenbach und nach dessen Schließung in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt Preungesheim statt. Seit Juli 2014 ist der Vollzug von Abschiebehaft nur noch in eigens dafür vorgesehenen Gefängnissen erlaubt. In Hessen gibt es seit 2018 ein Abschiebegefängnis in Darmstadt-Eberstadt, etwa 40 km südlich von Frankfurt. Dessen Kapazität wurde Anfang 2021 von 20 auf 80 Haftplätze vervierfacht.