Seite wählen
 

Hintergrundinformationen zu Abschiebehaft

Wenn eine Person in Deutschland keinen gültigen Aufenthaltstitel (mehr) hat, kann sie zur Ausreise gezwungen werden. Wenn sie der Ausreisepflicht nicht nachkommt oder nach richterlicher Einschätzung die Gefahr besteht, dass sie sich den Behörden im Falle einer Abschiebung entzieht, wird sie in Abschiebehaft (juristisch: »Abschiebungshaft«) genommen. Auf diese Weise wird die Ausreisepflicht zwangsweise durchgesetzt. Die Haft ist also kein Resultat einer Straftat, sondern gilt als »Zivilhaft«. Das bedeutet, dass allein zur Sicherstellung der Abschiebung das Grundrecht auf Freiheit der Person aufgehoben werden kann.

In Hessen galt seit den 1960er Jahren die Regelung, dass Abschiebegefangene in Polizeigefängnissen inhaftiert wurden und nur in Ausnahmefällen in Justizvollzugsanstalten (JVAs). So konnte das Klapperfeld ab dieser Zeit bis zu seiner Schließung 2002 als Abschiebegefängnis genutzt werden. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Juli 2014 darf Abschiebehaft nicht mehr in Polizeigewahrsam oder in JVAs durchgeführt werden, sondern nur noch in speziell dafür vorgesehenen Einrichtungen.

Anhand der Inschriften lässt sich insbesondere der Zeitraum ab den 1980er Jahren bis 2002 nachvollziehen, in dem die Geschichte des Klapperfelds als Abschiebegefängnis parallel zu massiven migrationshistorischen und politischen Umwälzungen dieser Zeit verlief. Hierzu zählen vor allem die Migrationsbewegungen nach dem Ende der Sowjetunion und dem Krieg im ­ehemaligen Jugoslawien, der sog. »Asylkompromiss« und die damit ­einhergehende drastische Einschränkung des Grundrechts auf Asyl im Jahr 1992 sowie die Entwicklung der restriktiven Migrationspolitik der Europäischen Union. Zugleich wurde die Freizügigkeit für EU-Bürger*innen rechtlich verankert. Die Abschiebehaft entwickelte sich entlang dieser rechtlichen und politischen Veränderungen als wichtiges Instrument einer Politik der Abschreckung und Abschottung, die in verschiedenen Zeiten auf unterschiedliche Personengruppen abzielte. So sind beispielsweise die Verfasser*innen der zahlreichen polnischen oder rumänischen Inschriften heute EU-Bürger*innen.

Die Entstehung der Abschiebehaft in Deutschland datiert allerdings weit vor der Gründung der Bundesrepublik. Schon 1919 wurde in Bayern Abschiebungshaft praktiziert. Ihren gesetzlichen Ursprung hat die Abschiebehaft in dem Paragraphen der »Ausländerpolizeiverordnung« von 1938, der Abschiebehaft im nationalsozialistischen Recht verankerte. Dieser Paragraph galt in der BRD unverändert bis 1965, als er durch das neuformulierte »Ausländergesetz« abgelöst wurde. Die Regelungen blieben in ihrem Charakter allerdings gleich und wurden nur um die Angabe der möglichen Gesamtdauer der Abschiebehaft auf bis zu zwölf Monate erweitert. Seit 2005 wird die Abschiebehaft im § 62 des »Aufenthaltsgesetzes« geregelt.

Bis 1990 kam es allerdings nur vereinzelt zur Anwendung von Abschiebehaft. Sie gewann erst im Zuge des »Asylkompromisses« von 1992 an Bedeutung. Bereits 1990 wurde im »Ausländer­gesetz« der Bundesrepublik die mögliche Dauer der Abschiebehaft auf 18 Monate verlängert. 1992 wurden im § 57 zwingende Haftgründe eingeführt, sodass die Anordnung der Abschiebehaft nun unter bestimmten Umständen erfolgen musste. Im Zuge dieser Entwicklung kam es zum sprunghaften Anstieg der Abschiebehaftzahlen bundesweit: Laut der »Initiative gegen Abschiebehaft« waren 1992 700 Personen inhaftiert und diese Zahl stieg bis 1994 auf 2800 Personen an.

Das »Asylverfahrensgesetz« regelt außerdem, dass Personen bereits ab 16 Jahren ihre eigenen Asylverfahren führen können, sodass auch Minderjährige in Abschiebehaft genommen werden können. Das Klapperfeld war hier keine Ausnahme: Laut eines Artikels in der Abendpost/Nachtausgabe von 1984 war beispielsweise ein 16-jähriger Jugendlicher mindestens vier Monate lang hier vor seiner Abschiebung inhaftiert.

Die Bedeutung Frankfurts und damit auch des Klapperfelds leitet sich aus der strategischen Rolle des Frankfurter Flughafens ab, der noch immer vor Berlin, Düsseldorf und München das entscheidende Abschiebedrehkreuz in Deutschland ist. Das Klapperfeld wurde aus diesem Grund auch als Zwischenstation für Abschiebehäftlinge anderer Bundesländer genutzt, um sie von Frankfurt aus zügig abschieben zu können. Für viele war das Klapperfeld also die letzte Station vor einer Abschiebung aus Deutschland. Wie aus einigen Inschriften hervorgeht, erfolgten Abschiebehaft und Abschiebung in manchen Fällen auch als zusätzliche Sanktionen nach dem Absitzen einer Strafhaft in einem anderen Gefängnis. Andere Abschiebegefangene wurden aus unterschiedlichen Gründen, wie beispielsweise des Fehlens notwendiger Unterlagen für die Durchführung der Abschiebung, vom Klapperfeld wieder in andere Abschiebe- oder Flüchtlingsunterkünfte gebracht. Die gesamten Kosten für Haft und Abschiebung werden den Abschiebehäftlingen in Rechnung gestellt und müssen bei einer Wiedereinreise bezahlt werden.

Auch heute werden jedes Jahr mehrere tausend Personen vom Frankfurter Flughafen aus abgeschoben, im Jahr 2020 waren es nach Angabe der Bundesregierung 2.863. Zu dieser Zahl kommt noch ein unbekannter Teil der 2.953 »Überstellungen« aus Deutschland in andere EU-Staaten im Rahmen der Dublin-­Verordnungen hinzu.