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Der Bau des PolizeigefängnisSES und das Prinzip der Haft

Der Gefängnisbau auf dem Klapperfeld und das System der Haft

Bereits vor dem Bau des ehemaligen Polizeigefängnisses wird auf dem Areal des Klapperfelds der Bau eines Gefängnisses geplant. Dieser wird jedoch mit der Neuordnung der städtischen Verwaltung im Zuge der Annexion Frankfurts durch Preussen im Jahr 1866 und der städtebaulichen Erweiterung in dieser Zeit nicht umgesetzt. Ab 1882 wird auf dem Gelände der heutigen JVA Frankfurt-Preungesheim mit dem Bau einer Haftanstalt begonnen.

Der Bau von Gefängnissen ist in der bis 1866 bestehenden freien Reichsstadt Aufgabe der städtischen Verwaltung. Es sind daher Beamt_innen des städtischen Bauamtes, die sich mit den Planungen eines ›Zellenstrafhauses‹ auf dem Klapperfeld befassen. Zwei Berichte des Bauamtes über die Planungen aus dem Jahr 1838 und 1861 zeigen, dass den Planungen von Gefängnisbauten bestimmte Vorstellungen einer sozialen Ordnung zugrunde liegen, die sich in einer bestimmten Architektur der Haft niederschlagen, wie sie auch am Bau des ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld zu sehen ist.

Die Baukommission aus dem Jahr 1838 orientierte sich an den englischen Gefängnisneubauten, die zu dieser Zeit als die modernsten in Europa galten. An ihnen manifestierte sich eine neue Ordnung der Haft. Verbunden mit Zwangsarbeit begann Haft schon seit der frühen Industrialisierung, die bis dahin angewandten Leibesstrafen zu ersetzen. Doch erst Anfang des 19. Jahrhunderts setzte sich in den meisten europäischen Staaten der Freiheitsentzug als allgemeines Mittel staatlicher Repression durch. In den englischen Gefängnisbauten wurde ab den 1840er Jahren das System der Einzelhaft angewandt:

»Das System erfordert:

(1) Dass jeder einzelne Gefangene bei Tag und bei Nacht in ein abgesondertes Gefängniszimmer eingesperrt sey, welches hell, durchaus gelüftet und erwärmt und von gehöriger Größe sein soll, um zu gestatten, dass der Gefangene sich Bewegung mache und einen Theil seiner Zeit in anstrengender Handarbeit verwende.

(2) Dass der Bau dieser Zellen jede Communication mit dem anderen hindere, und dass zu diesem Ende, die Scheidewände eine solche Dicke haben, und anderweitige Vorsichtsmaßregeln getroffen werden, dass jede Communication so erschwert wird, dass jede Versuchung sie zu unternehmen wegfallen muss.

(3) Dass die Zellen versehen seyen mit einem Wasserzulauf um Waschen mit einem Waser-Closet, mit Dienströhren, so dass es keinen Anlass für den Gefangen geben kann seine Zellen zu verlassen, bis er die Weisung zu erhält, aber das er zugleich die Mittel in seiner Macht habe den Beamten, Kenntnis von seinem Wunsch zu geben, sie zu sehen, für den Fall von Krankheit oder in sonstigen dringenden Anlässen.

(4) Dass nicht nur Gelegenheit zu allgemeiner Aufsicht und Inspection vorhanden sey, sondern auch jeder einzelne Gefangene unbeobachtet überwacht werden könne. Und da es einen wesentlichen Theil des Systems bildet, dass jedes Individuum im Laufe des Tages häufige Communication mit einem oder dem andern Gefängnisbeamten habe, so ist der möglichst erleichterte Zugang zu jedem Theil des Gebäudes zu jeder einzelnen Zelle äusserst wünschenswerth.

(5) Damit die Einheit des Systems nicht durch das gestattete Zusammenkommen der Gefangenen beim Gottesdienst oder zum Unterricht unterbrochen werde, ist es wesentlich, dass die Kapelle mit besonderen Stühlen versehen werde, und dass, damit es nicht nötig werde, Gefangene zusammen kommen zu lassen, wenn sie freie Luft geniessen, abgesonderte Höfe zu diesem Zweck eingerichtet werden.«

Anders als die bis dahin bestehenden Haftformen des Zuchthauses, in der die Gefangenen gemeinschaftlich eingesperrt und zur Verrichtung von Arbeiten gezwungen werden, hat die Einzelhaft die Isolierung der Gefangenen zum Ziel. Die Trennung der Gefangenen von sozialen Kontakten und allen sinnlichen Wahrnehmungen außerhalb der Zelle sollte die Wirkungen der Haft verstärken. Die Arbeiten, die sie verrichten mussten, dienten ebenso wie im Zuchthaus nicht der Qualifizierung der Gefangenen. Ihr eigentlicher Zweck war die mit ihr verbundene körperliche Anstrengung. Sie war Teil der Strafe.

Nach den Vorstellungen der Straftheoretiker, die sich für die Einzelhaft einsetzten, sollte diese die Gefangenen an ein ›geregeltes Leben‹ in der bürgerlichen Gesellschaft anpassen. Die Haftzelle als gewaltsame Verweisung in Einsamkeit wurde dabei nach dem bürgerlichen Ideal des Menschen, der jede Lebenssituation selbstständig bewältigt, als positives Erziehungsinstrument begriffen.

Eingesperrt in die Zelle sind die Gefangenen jedoch in nahezu allen Belangen fremdbestimmt. Gegenüber dem Personal des Gefängnisses werden sie in ein Gehorsamsverhältnis gezwungen. Dieses setzt voraus, dass die Gefangenen ein Bewusstsein davon haben, dass sie während ihres Aufenthalts in der Zelle unter ständiger Beobachtung stehen. Haftzellen sind daher so gebaut, dass sich die gesamte Zelle von einem Punkt an der Tür jederzeit unbemerkt einsehen lässt.

Das Prinzip dieser Überwachungsmethode geht auf den Entwurf eines Gefängnisbaus des englischen Philosophen Jeremy Bentham zurück: das Panopticon.

Pläne des geplanten neuen Gefängnishauses auf den Areal des Klapper­felds, 1840
Pläne für ein neues Gefängnishaus auf dem Areal des Klapper­felds, 1840: Bereits vor dem Bau des ehemaligen Polizeigefängnis wurde auf dem Areal des ­Klapperfelds der Bau eines Gefängnisses geplant. In einem Bericht der Gefängnis-Commission vom 30. März 1840 sind die Entwürfe erhalten. Dieser Bau sollte sich an dem Entwurf eines ­Gefängnisbaus des englischen Philosophen ­Jeremy Bentham orientieren: das Panopticon. Diese Pläne wurden jedoch durch die Neuordnung der städtischen Verwaltung im Zuge
der Annexion Frankfurts durch Preußen im Jahr 1866 und der städtebaulichen Erweiterung in dieser Zeit nicht umgesetzt. (Quelle: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main)

In einer abgeänderten Form findet es sich auch in dem Bauplan für ein Gefängnis, das ab 1838 auf dem Klapperfeld gebaut werden sollte. Anders als das Polizeigefängnis war dieser Bau in mehrere Zellentrakte unterteilt, die sich strahlenförmig um eine zentrale Halle anordnen. Von einem darin befindlichen Beobachtungspunkt aus sollten alle Zellentüren sichtbar sein. Dies ermöglichte nicht direkt die Kontrolle der Gefangenen in den Zellen, aber die Überwachung des gesamten Gefängnisbetriebes und der Arbeit der Aufseher_innen.

In einem weiteren Entwurf einer Kommission des Frankfurter Bauamtes von 1861 wird an den Gefängnisplanungen nichts Grundlegendes geändert. Hinzu kommt jedoch der nachdrückliche Verweis darauf, die Gefangenen in Kategorien einzuteilen und sie nach dem Status ihrer Verurteilung und nach Geschlecht zu trennen. Dieses Prinzip liegt auch dem Bau des Polizeigefängnisses Klapperfeld zugrunde.

Der Bau des Klapperfelds

Der Aufbau der Haftzellen im Klapperfeld folgt dem selben Prinzip der Haft wie in den geplanten Gefängnisbauten Mitte des 19. Jahrhunderts. Für die an den Inhaftierten ausgeübte Repression war die Architektur der Zelle stets nur ein Mittel unter Anderen. Dennoch ist ihr unveränderter Bestand während der über 115-jährigen ­Geschichte des Klapperfeld als Polizeigefängnis bemerkenswert.

Fassaden des Polizeipräsidiums, des Dienstwohngebäudes und des Polizeigefängnisses
Fassaden des Polizeipräsidiums, des Dienstwohngebäudes und des ­Polizeigefängnisses: Das obere Bild zeigt die zur Zeil gehende Fassade des nicht mehr erhaltenen Polizei­präsidiums. Unten ist dieses von der Seite sowie das Polizeigefängnis mit seinem heute noch genutzten Eingang in der Klapperfeldstraße zu sehen. Beim Gebäude in der Mitte handelt es sich nicht etwa um ein weiteren Trakt des Polizeipräsidiums, sondern um das ­sogenannte »Dienstwohngebäude« des Polizeipräsidenten. Hier standen ihm ein Sekretariat im Erd­geschoss und eine »Präsidial-Wohnung« im ersten und zweiten Obergeschoss zur Verfügung. (Quelle: Architekten- und Ingenieur-Verein (Hg.): Frankfurt a. M. und seine Bauten, Frankfurt a. M. 1886)

Gebaut wurde das ehemalige Polizeigefängnis ab dem Jahr 1884 nach einem Entwurf des Frankfurter Stadtbaurats Gustav Behnke. Unter der Leitung des preußischen Regierungs-Baumeisters Temor wurde es 1886 fertiggestellt. Das viergeschossige Gebäude bestand aus einem Verwaltungstrakt und einem Zellentrakt. Im obersten Stockwerk des Verwaltungstraktes war eine Wohnung für den Direktor des Gefängnisses eingerichtet. Der Zellentrakt und die Höfe vor dem Gefängnis waren vertikal in eine »Männerabteilung« und eine »Weiberabteilung« unterteilt. In beiden Abteilungen befanden sich eine Reihe von Hafträumen, die zur Einsperrung von Gefangenen dienten. Im Erdgeschoß des Verwaltungstraktes befanden sich Räumlichkeiten für einen Arzt. Auch auf dem »Weiberhof« befand sich ein separiertes Gebäude, in dem Prostituierte von einem Polizeiarzt untersucht wurden.

Grundriss des Erdgeschosses des Polizei-Präsidial-Gebäudes, des Dienstwohngebäudes und des Polizeigefängnisses, 1886
Grundriss des Erdgeschosses des Polizei-Präsidial-Gebäudes, des Dienstwohngebäudes und des Polizeigefängnisses, 1886 (Quelle: Architekten- und Ingenieur-Verein (Hg.): Frankfurt a. M. und seine Bauten, Frankfurt a. M. 1886)

Die Funktion des Arztes war grundlegend für den Betrieb im Polizeigefängnis. Dessen Aufgabe bestand nicht in erster Linie in der Versorgung ›kranker‹ Gefangener, sondern vor allem in medizinischen Untersuchungen, die auch gegen den Willen der Gefangenen durchgeführt wurden. Schließlich wurden die Gefangenen auch nach medizinischen Urteilen durch den Polizeiarzt in gesonderten Zellen eingesperrt.

Quelle: Institut für Stadtgeschichte: Bestand: Impressen Signatur: 143 (S. 104f.)