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Das Gefängnis in der Weimarer Republik

Zu Anfang der Weimarer Republik veränderte sich das Gefängniswesen und damit auch der ›Gefängnisalltag‹ im Klapperfeld in verschiedener Hinsicht.

Im Gegensatz zu den vorigen Jahrhunderten sollte das Gefängniswesen »nicht den Willen des Gefangenen brechen, den Gefangenen seelisch und körperlich zermürben, sondern im Gegenteil den Willen des Gefangenen stärken und in die richtigen Bahnen lenken« (Starke). Die Strafe wurde als pädagogisches Mittel aufgefasst, mit dem ein Häftling zu einem ›guten Staatsbürger‹ erzogen werden sollte.

Einerseits fand das Resozialisierungsprinzip Eingang ins deutsche Strafsystem, gleichzeitig wurde aber auch der Typ des »unverbesserlichen Straftäters« entwickelt. Unter diese Kategorie fielen diejenigen, die sich den Maßnahmen zur Resozialisierung entzogen und damit als nicht gesellschaftsfähig galten. Begründet wurde das mit biologistischen Erklärungen.

Demgegenüber sah das Resozialisierungsprinzip ein Stufensystem für Gefangene mit längeren Haftstrafen (mindestens ein Jahr) vor. Durch ein System von Vergünstigungen sollten die Häftlinge in ihrem Verhalten gelenkt werden. Auch dieses Vorgehen erfüllte eine repressive Funktion. Die Angst vor dem Verlust von Privilegien stellte hier das disziplinarische Druckmittel dar.

Die Definition des »unverbesserlichen Straftäters« zeugt von der Reduzierung sogenannten gesellschaftlich abweichenden Verhaltens auf biologische Faktoren.

Doch auch im Gefängnis zeigte sich ein Grundproblem der Weimarer Republik: Große Teile des Personals in Verwaltung und Justiz stehen der Demokratie ablehnend gegenüber. Die meisten Gefängniswärter_innen setzten weiterhin auf strenge militärische Ordnung und Disziplin und verweigerten sich den neuen Idealen.

Zudem kam es im Zuge der Wirtschaftskrise zu einem Abbau des Weimarer Wohlfahrtsstaates: Staatszuschüsse für Gefängnisse wurden gekürzt und damit auch die Grundversorgung durch Kleidung, Verpflegung und medizinische Betreuung.

Ganz abgesehen von den kaum durchsetzbaren Idealvorstellungen einer humanitäreren Haft, bildete das Strafsystem der Weimarer Republik weiterhin eine geeignete Grundlage für den nationalsozialistischen Staat. Insbesondere der Gedanke des »unverbesserlichen Straftäters« ließ sich einwandfrei in die nationalsozialistische Ideologie integrieren.

Quellen: Jürgen Simon: Kriminalbiologie und Zwangssterilisation. Eugenischer Rassismus 1920-1945, München 2001 | Starke: Die ­Behandlung der Gefangenen, in: Erwin Bumke: Deutsches ­Gefängniswesen. Ein Handbuch, Berlin 1928 | Nikolaus Wachsmann: Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS‑Staat, München 2006