»Berichten will ich aus meinem und dem Leben meiner Eltern und der Verquickung mit den Ereignissen und Traditionen der kämpfenden Arbeiterschaft im Faschismus.«
Wolfgang Breckheimer
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Interview: Arbeitskreis Geschichte der Initiative »Faites votre jeu!« am 17. Mai 2009
Lebenslauf Wolfgang Breckheimer
Wolfgang Breckheimer kam 1926 in Frankfurt am Main zur Welt. Er wuchs in dem Arbeiterstadtteil Riederwald in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus auf. 1922 hatte sein Vater, der Holzarbeiter Wilhelm Breckheimer, die Jüdin Cäcilie Segalowitsch geheiratet. Sie war als Waisenkind in einem SAJ-Kinderheim aufgewachsen und eine selbstbwusste, junge Frau. Wolfgang Breckheimer absolvierte eine Ausbildung als Buchdrucker. Durch das Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze war dies für ihn als »jüdischen Mischling« nur über die geheimen freundschaftlichen Kontakte seiner Mutter zum »Führsorgeamt« möglich.
In dieser Zeit bekam Wolfgang Breckheimer in seiner Berufsschulklasse Kontakt zu den »Edelweiß-Piraten«, einer Gruppe von Jugendlichen, die Zwang und Drill, wie er in der uniformierten Hitler-Jugend (HJ) praktiziert wurde, kategorisch ablehnten. Sie trugen gerne bunte Schals und lange Haare, trafen sich in ihrer Freizeit zum Wandern, Diskutieren, Musizieren und Tango tanzen. Es war 1942, als er ihnen durch seine kritischen Äußerungen zum Krieg und die langen Haaren aufgefallen und eingeladen worden war. Die Gruppe fuhr oft in den Taunus, wo sie versteckt ihre Zeltlager organisierte. Wolfgang Breckheimer schreibt über seine Zeit als »Edelweiß-Pirat«: »Hier verlor ich das sonst vorherrschende Ohnmachtsgefühl. In der Gemeinschaft der Gruppe strömte mir Kraft und Hoffnung auf eine Zeit ohne Konzentrationslager und für persönliches Glück zu.« Zweimal schaffte er es mit viel Glück nur knapp, einer Verhaftung durch die SA zu entgehen. Seine Mutter Cäcilie Breckheimer bekam einen Tag nach Wolfgangs 17. Geburtstag eine Vorladung in die Lindenstrasse in Frankfurt, das Hauptquartier der Gestapo, in sogenannter »eigener Sache«. Sie wurde im Februar 1943 verhaftet, erst in das Polizeigefängnis »Klapperfeld« gebracht und dann in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt, wo sie im Juli 1943 angeblich an »allgemeiner Körperschwäche« starb. Wolfgang Breckheimer hatte tagelang vor dem Knast verharrt, immer den geheimen Familienpfiff pfeifend, in der Hoffung ein Lebenszeichen der Mutter zu erhalten.
Immer wieder kam es zwischen der Gruppe von »Edelweißpiraten«, der Wolfgang Breckheimer angehörte, und den HJ-Streifen zu kleineren Auseinandersetzungen. Im Winter 1944 wurde das Haus in der Raiffeisenstraße 25 von einer Fliegerbombe getroffen. Wolfgang Breckheimer überlebte im Keller. Im Januar des darauffolgenden Jahres 1945 wurde er als »jüdischer Mischling ersten Grades« zur »Organisation Todt« (Die Organisation Todt (OT) war eine uniformierte technische Einheit, die im Krieg den Einsatz von »Fremdarbeitern«, Gefangenen oder auch »Mischlingen« und »Versippten« organisierte und überwachte) einberufen und später zur Zwangsarbeit nach Osterode im Harz verschleppt. Dort half er den Brüdern Lappe bei der Flucht aus dem Lager. Deswegen wurde er in das Gefängnis von Halberstadt verlegt. Dort erlebte er die Befreiung durch amerikanische Truppen.
Wolfgang Breckheimer engagierte sich nach dem Krieg bei der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Dort lernte er auch seine zukünftige Frau Ria Breckheimer kennen. In den ersten Jahren nach dem Krieg war er ein weiteres Mal von staatlicher Repression betroffen und wurde auf dem Römer bei einer Demonstration gegen den Umgang der BRD mit der Vergangenheit in dem Gewahrsam »Klapperfeld« inhaftiert.
Wolfgang Breckheimer ist nach langer und schwerer Krankheit am 12. Juni 2011 gestorben. Bis zuletzt war er als Zeitzeuge aktiv, setzte sich für die Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus und den Kampf gegen die heutigen Neonazis ein.