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»Auf Transport gehen«

Menschen, die von den Nazis in Schutzhaft genommen wurden, wurden oftmals in Gefangenen-Sammeltransporten per Zug vom Gleis 16 des Frankfurter Hauptbahnhofes auf eine mehrtägige Fahrt geschickt, den sogenannten »Schubweg«. In den unterschiedlichen Gefängnissen des Deutschen Reiches wurden Häftlinge zusammengezogen, um sie gemeinsam in Sammeltransporten abtransportieren zu können. Das Ziel war den Gefangenen meist unbekannt. In vielen Fällen bedeutete es den Tod.

Die unter katastrophalen Bedingungen stattfindende Fahrt dauerte meist mehrere Tage, manchmal sogar Wochen oder gar Monate und bestand aus zahlreichen Gefängnisstationen, wie dem Polizeigefängnis Klapperfeld.

Otto Oeser beschreibt diese Fahrt folgendermaßen:

»Ich befand mich schon etwa fünf Wochen im Vechtaer Männergefängnis, als mich der Oberinspektor des Hauses vorführen ließ. Schon wieder etwas Neues, dachte ich. (…) Am nächsten Morgen ging es auf die Reise, zunächst nach Bremen. In einer großen Gemeinschaftszelle waren etwa 15 bis 20 Gefangene untergebracht, die alle auf ihren Weitertransport warteten. (…) Nächste Station war Hannover. Von dort ging es weiter nach Kassel. Hier hatte ich zum ersten Mal Berührung mit einer Gruppe Häftlinge, die aus dem KZ Buchenwald kamen und zum Teil ihrer Heimatgestapo überstellt werden sollten. (…) Weiter ging die Reise gen Süden. Tagelang schon war ich unterwegs mit den Gefangenentransportwagen der Reichsbahn. Von einem Güterbahnhof zum anderen. Nur gegen Abend wurden wir ausgeladen und in ein an der Strecke liegendes Gefängnis gebracht. Unser nächstes Ziel war Frankfurt. Der Personenzug mit dem Transportwagen hinten dran hielt in der Bahnhofshalle. Einzeln holte man uns aus den Zellen des Waggons, und schon klickten die Stahlfesseln an unseren Handgelenken. Doch was war das? Zwei Polizisten standen auf dem Bahnsteig und hielten eine lange, schwere Eisenkette in den Händen. An diese Kette schloss man uns links und rechts mit unseren Fesseln an. So entstand ein langer Kettenbandwurm, mit etwa 20 Beinen an jeder Seite. Das war eine Sensation für die Bahnreisenden, die eiligst herbeiströmten. So etwas mußte man doch gesehen haben! Schwerverbrecher, wie der brave Bürger sie sich vorstellte. Bleiche Gesichter mit unrasierten Stoppelbärten, den Kopf kahl geschoren oder mit strähnigen, ungekämmten Haaren bedeckt. Ja, solche Menschen durften doch nicht frei herumlaufen! Dass wir bereits alle eine jahrelange Zellenhaft hinter uns hatten, dass wir schon tagelang unterwegs waren und in den Schubgefängnissen keine Gelegenheit hatten, unsere Haare zu pflegen und uns zu rasieren, wer von ihnen wußte das schon? So marschierten wir aus dem Bahnhofsgebäude hinaus, zur Aufnahme in die ›Grüne Minna‹, die uns in das Frankfurter Polizeigebäude fuhr. Nach den üblichen Formalitäten brachte man uns in den Zellentrakt. Dort gab es wieder eine Überraschung. Zu beiden Seiten eines schmalen Ganges befanden sich kleine Einzelzellen. Diese besaßen jedoch zum Gang hin keine feste Wand, sondern ein Netzwerk aus Stahldraht. Jeder Zelleninsasse konnte somit sein Gegenüber bei all dessen Tätigkeiten beobachten. Während der auf der einen Seite mal auf‘s ›Töpfchen‹ musste, konnte der andere von der gegenüberliegenden Seite ihn mit Muße bei seiner lebenswichtigen Beschäftigung betrachten. Das Fernsehen des armen Sünders. Weitere Stationen mit dem Schubwaggon waren Bruchsal, Stuttgart, Ulm und als letzte Etappe München. Von dort ging es am 10. Mai 1939 mit einem Polizeimannschaftswagen nach Dachau.«

Schreiben an das Polizeigefängnis zu Sammeltransporte vom Frankfurter Hauptbahnhof
Sondertransporte, Anweisung an das Polizeigefängnis vom 28.11.1944: Die Anweisung dokumentiert, dass Gefangene des NS-Regimes teilweise quer durch Europa transportiert und dabei auch im Klapperfeld untergebracht wurden. (Quelle: Hessisches Hauptstaatsarchiv)


Ouelle: Oertel, Otto; Appelius, Stefan (Hrsg.): Als Gefangener der SS (S. 75)