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Kontakt zu Angehörigen

Der Kontakt zur Außenwelt war für Inhaftierte des Klapperfelds nur nach besonderer Genehmigung möglich. Nur selten gelang es dank besonders gewitzter Ideen von Inhaftierten und Angehörigen, Nachrichten an dem Gefängnispersonal vorbeizuschmuggeln. Eine andere Chance bot sich, wenn Wärter_innen einen Funken Menschlichkeit zeigten und ein Auge zudrückten.

Gelegenheit dazu gab es zweimal pro Woche, wenn es den Angehörigen gestattet war, frische Wäsche zu bringen und gebrauchte abzuholen. Allerdings war auch dafür eine entsprechende Erlaubnis der Gestapo nötig.

Beispiele für Methoden der Nachrichtenübermittlung, die die Wärter_innen nicht bemerken sollten, sind etwa das Einnähen von Botschaften in den Saum der Wäsche, das Einritzen von Nachrichten in Seife oder das Verstecken in Zahnpastatuben.

Fotografie des Kassibers von Cäcilie Breckheimer aus dem Polizeigefängnis Klapperfeld
Kassiber von Cäcilie Breckheimer aus dem Polizeigefängnis Klapperfeld: Auf einem Stoffzettel geschrieben, konnte Cäcilie Breckheimer folgende Nachricht heimlich an ihren Mann Wilhelm und ihren Sohn Wolfgang übermitteln: »Schickt Montag in Karton unter Wäsche etwas Brot u. z. Schmieren u. Brille. Wir h. Hoffnung. Mache Gesuch.« Cäcilie wurde im Februar 1943 verhaftet, erst in das Polizeigefängnis gebracht und dann in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt, wo sie im Juli 1943 angeblich an »allgemeiner Körperschwäche« starb. Wolfgang Breckheimer hatte Tage lang vor dem Knast verharrt, immer den geheimen Familienpfiff pfeifend, in der Hoffung ein Lebenszeichen der Mutter zu erhalten. (Quelle: Privatarchiv von Wolfgang Breckheimer)

Durch einen auf Toilettenpapier an ihren Mann und ihren Sohn geschriebenen Kassiber, den eine etwa am 24. Februar verhaftete Frau aus dem Polizeigefängnis herausschmuggeln konnte, erfuhren ihre Angehörigen über den weiteren Fortgang folgendes:

»Mein lieber Karl und Hansel! Dies sind die letzten Zeilen, die ich an Euch richte. Heute habe ich mit noch vielen andern den Lagerzettel unterschrieben. Heute sind es auch acht Wochen, dass ich hier bin. Wir kommen voraussichtlich nach Auschwitz bei Kattowitz in Oberschlesien. Behaltet mich lieb, bleibt mir treu, ich werde alles versuchen, um durchzuhalten. Wenn auch die Arbeit noch so schwer ist, so will ich alles tun, um mein Leben zu erhalten, denn ich will und muss wieder zu Euch kommen. Meine Strafe ist ungebührliches Benehmen bei [dem städtischen Gestapobeauftragten] Holland, wo Du selbst dabei warst und ich hätte mich getarnt und nicht als Jüdin zu erkennen gegeben und [es] würde dadurch das Judengesetz gefährdet sein. Im Grunde genommen ist es eine Aktion. Kann man nichts dazu, dass man als Jude geboren ist. Der Transport ist schlimm, durch viele Gefängnisse, bis man an Ort und Stelle ist. Aber auch das muss durchgehalten werden. Wenn Du von mir kein Lebenszeichen bekommst, so darf ich nicht schreiben, ich bin immer in Gedanken bei euch und vergesse euch nie. [ … ] Nun bleibt gesund und vergesst mich nicht, lieber Hansel, halte treu zum Vater und gebe Gott, dass wir unseren Lebensabend noch zusammen verbringen können. Viele tausend innige Grüsse und Küsse Eure stets an Euch denkende tieftraurige Mutter.«

Viele Angehörige streiften insbesondere in den Abendstunden um das Gefängnis und versuchten den Inhaftierten durch Pfiffe oder Lieder zu zeigen, dass sie da sind. Wenn keine Aufseher_innen da waren, gelang es den Inhaftierten manchmal, auf entsprechende Weise zu antworten.

Zu einem weiteren Treffpunkt für Angehörige wurde der Frankfurter Hauptbahnhof, da schnell bekannt wurde, wann Deportationen stattfanden. So wurde versucht die festgenommenen Angehörigen, die mit Hunden eskortiert und oft mit Tritten zu den Zügen befördert wurden, noch ein letztes Mal zu sehen.

Quellen: Monica Kingreen: »Die Aktion zur kalten Erledigung der Mischehen« – die reichsweit singuläre systematische ­Verschleppung und Ermordung jüdischer Mischehepartner im NSDAP – Gau ­Hessen – Nassau 1942/1943. In: Norbert Kampe/Peter Klein (Hg.): NS-Gewaltherrschaft. Beiträge zur historischen Forschung und ­juristischen Aufarbeitung. | Monica Kingreen: Die Verschleppung und Ermordung hessischer »nichtarischer« Christen. In: Hermann Düringer/Hartmut Schmidt (Hg.): Kirche und ihr Umgang mit Christen jüdischer Herkunft während der NS-Zeit – dem Vergessen ein Ende machen. | Elsie Kühn-Leitz: Mut zur Menschlichkeit. Vom Wirken einer Frau in ihrer Zeit. Dokumente, Briefe und Berichte. Hrsg. von Klaus Otto Nass. Bonn 1994. | Monica Kingreen (Hg.): »Nach der Kristallnacht«. Jüdisches Leben und antijüdische ­Politik in Frankfurt am Main 19381945. | Abschrift des Kassibers von Martha Rammler, HHstA Wiesbaden, Abt. 461-37048/3 Bl. 786.